Samstag, 5. August 2017

Der aktuelle Buchtipp: "Das Buch der Stille" von Sara Maitland

Stadtmüde geworden bin ich in letzter Zeit mehr denn je zuvor auf der Suche nach Stille. Und wie es so ist, wenn ich mich mit einem Thema besonders intensiv beschäftige, begegnet es mir häufig. Erst vor zwei Wochen bekam ich „Das Buch der Stille“ geschenkt und genieße jede Seite davon. Dieses Buch ist ein facettenreiches Kaleidoskop über das, wonach sich heute immer mehr Menschen sehen.

In dem folgenden Interview habe ich mit der Verlegerin Ursula Richard über das Buch gesprochen. Wie ein Seismograph bewegt sie sich in der Verlagswelt und hat ein ausgesprochen feines Händchen dafür, außergewöhnliche Bücher zu veröffentlichen.

Vor Kurzem ist „Das Buch der Stille“ in deinem Verlag edition steinrich erschienen. Was hat Dich dazu bewegt, dieses Buch zu verlegen?

Ich habe dieses Buch auf einer Schottlandreise gelesen und es hat mich von Beginn an total fasziniert. Zum einen liebe ich gut geschriebene Bücher. Sara Maitland ist eine anerkannte britische Schriftstellerin – und sie kann wirklich gut schreiben. Zum anderen mag ich keine Ratgeber, die den Menschen sagen, was sie tun oder lassen sollten, um dieses oder jenes zu erreichen: Gesundheit, Glück, Erleuchtung, je nachdem. Sara Maitland beschreibt in diesem Buch ihre ganz persönliche Reise in die Stille; sie entdeckt ihre Sehnsucht nach mehr Stille, nachdem sie jahrzehntelang ein recht „lautes“ Leben geführt hat, und sie lässt sich von dieser Sehnsucht vollkommen leiten. Ihr Buch hat nichts Ideologisches oder abgehoben Spirituelles. Die Autorin lässt sich mit Haut und Haaren auf alle möglichen Stille-Erfahrungen ein, daneben beleuchtet sie die Texte von Mystikern, aber auch Weltumseglern, Polarfoschern, Extremsportlern, die radikale Stille- ooder Alleinseins-Erfahrungen gemacht haben, und untersucht, ob es da Ähnlichkeiten gibt – ja, es gibt sie. Das alles ist so kunstvoll verwoben und macht das Buch zu einer inspirierenden, spannenden Lektüre. Es ist überhaupt kein Ratgeber, inspiriert aber durchaus dazu, über die Macht und die Freuden von Stille im eigenen Leben nachzudenken und vielleicht einen eigenen Zugang zu dieser Dimension zu finden. 


Die Autorin, Sara Mailtand schreibt über die Freuden und die Macht der Stille. Was macht die Stille in ihren Augen so besonders?

Sie erlebt und beschreibt die Stille ja unter den unterschiedlichsten Bedingungen, im persönlichen vierzigtägigen Rückzug, im Zen-, in christlicher Kontemplation, in der Wüste, beim Wandern und sie ist für sie immer auch mit einer gewissen Abgeschiedenheit verbunden und dieser Aspekt ist für sie sehr wichtig. Sie lebt heute allein in einer abgeschiedenen Moorlandschaft und unterrichtet als Onlinekurs kreatives Schreiben, das heißt, für sie sind Stille-Erfahrungen und Alleinseins-Erfahrungen nah beieinander. Für sie hat die Stille auch sehr unterschiedliche Qualitäten und Facetten, sie ist fast wie eine Wesenheit, die freundlich, einladend, weit, offen sein kann und tiefe spirituelle Erfahrungen von Einssein und Geborgenheit erfahren lässt, die aber auch bedrohlich, zerstörerisch, verschlingend sein kann oder zum „Bösen“ genutzt werden kann. Menschen werden zum Schweigen gebracht; Folter arbeitet zum Teil mit Stille usw. Auf all diese Aspekte lässt sie sich mit einer großen Furchtlosigkeit, aber auch Neugier ein. Sie will wirklich wissen, aus erster Hand und ist nicht an Second-hand-Erfahrungen interessiert. Sie entdeckt auch, dass Stille im Sinne eines Entleerens oder Leer-Werdens, eines Sich-Öffnen für das, was größer ist als wir, bei ihr zu einem Versiegen der schriftstellerischen Kreativität geführt hat, während das stille, einsame Wandern diese wieder zum Leben verholfen hat. Also, ich glaube, das Besondere an der Stille ist für Sara Maitland ihre unendliche Vielfältigkeit. 


Teilst Du diese Ansicht?

Ihre Erfahrungen erscheinen mir so einleuchtend, und in gewisser Weise drücken sich darin sicher universelle Erfahrungen mit Stille aus. Aber sie beschreibt eben auch ihren sehr persönlichen Weg. Mich fasziniert die Stille sehr, aber ich bin bisher nie so weit gegangen wie Sara Maitland. Von daher kenne ich viele ihrer beschriebenen Erfahrungen nicht aus eigenem Erleben.


Du selbst hast ein Buch geschrieben: Stille in der Stadt. Du hast also selbst eine hohe Affinität zur Stille. Was macht die Stille für Dich persönlich so besonders?

Das Besondere an der Stille ist für mich, dass sie wirklich überall ist, wo immer wir auch sind, selbst im größten Lärm, denn aus der Stille geht alles hervor, die Stille ist der Raum für Klänge, Geräusche, Lärm und in die Stille kehrt alles zurück. Die Stille hat für mich etwas Magisches und das lässt sich auch in einer Stadt wie Berlin erleben. Aber ich kenne auch aus eigenem Erleben gut die Jagd nach der Stille und das man sie damit vertreibt. Stille ist immer woanders, als man selbst gerade ist und dann will man dort sein (im Meditationskurs, auf dem Land, in der Natur), unternimmt alle möglichen Anstrengungen, um das zu realisieren und an jenen Ort, zu jenem Kurs zu kommen, und in diesen Anstrengungen verpasst man die Stille, die immer da ist, in die man selbst wie eingehüllt ist und zu der man auch immer einen Zugang bekommen kann. Also diese Immer-Verfügbarkeit der Stille, die fasziniert mich.



Ursula Richard, Verlegerin  
Mein Blog trägt den Namen: Vom Glück der kleinen Dinge. Welches besondere Glück liegt für Dich in der Erfahrung der Stille?

Ein Ankommen, ein Nachhausekommen und Geborgenfühlen und die Ahnung von dem, was uns übersteigt – nenn es Gott, das Göttliche, Leerheit, Liebe, wie auch immer – darin liegt für mich das besondere Glück der Stille.

Vielen Dank für das Interview und dafür, dass Du so besonders inspirierende Bücher verlegst!

Weitere Informationen zum Buch und zum Verlag

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